Viele Frauen erleben in den Wechseljahren eine regelrechte Achterbahnfahrt der Hormone – mit Auswirkungen, die weit über Hitzewallungen oder Stimmungsschwankungen hinausgehen. Was dabei oft übersehen wird: Auch die Schilddrüse spielt in dieser Lebensphase eine zentrale Rolle. Sie steuert unseren Stoffwechsel, beeinflusst Energie, Stimmung, Gewicht und sogar die Knochengesundheit – also genau jene Bereiche, die sich während der Wechseljahre häufig verändern. Kein Wunder, dass sich die Symptome von Schilddrüsenproblemen und Wechseljahren stark ähneln – und oft schwer voneinander zu unterscheiden sind.
Die Schilddrüse: Klein, aber entscheidend
Die Schilddrüse liegt vorne am Hals unterhalb des Kehlkopfs und produziert lebenswichtige Hormone, vor allem T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin). Diese Hormone regulieren den Energieverbrauch der Zellen – also den gesamten Stoffwechsel. Schon geringe Abweichungen in der Hormonproduktion können spürbare Auswirkungen auf Körper und Psyche haben.
Während in jungen Jahren die Schilddrüse oft unbemerkt ihre Arbeit verrichtet, zeigen sich mit zunehmendem Alter häufiger Funktionsstörungen. Besonders Frauen sind betroffen – und das Risiko steigt mit dem Eintritt in die Wechseljahre deutlich.
Warum die Wechseljahre die Schilddrüse belasten – und umgekehrt
Mit dem Abfall von Östrogen verändert sich die gesamte hormonelle Balance im Körper – das beeinflusst auch die Schilddrüse. Gleichzeitig kann eine nicht optimal eingestellte Schilddrüsenfunktion typische Wechseljahresbeschwerden verstärken oder imitieren. Dazu gehören:
Schlafstörungen
Konzentrationsprobleme („Gehirnnebel“)
Stimmungsschwankungen bis hin zu Depressionen
Gewichtszunahme oder unerklärlicher Gewichtsverlust
Herzrasen oder innere Unruhe
Erhöhtes Kälte- oder Hitzeempfinden
Die Herausforderung: Viele dieser Symptome sind unspezifisch – sie können sowohl durch hormonelle Schwankungen in den Wechseljahren als auch durch eine Schilddrüsenerkrankung verursacht werden. Umso wichtiger ist eine gezielte Abklärung beim Arzt.
Gerade weil sich viele dieser Symptome stark ähneln, ist eine Unterscheidung im Alltag oft schwierig. Schlafstörungen, depressive Verstimmungen, Herzrasen oder Gewichtsschwankungen – all das kann sowohl durch die hormonellen Veränderungen der Wechseljahre als auch durch eine Schilddrüsenunter- oder -überfunktion ausgelöst werden. Das erschwert nicht nur die Diagnose, sondern birgt auch das Risiko, dass Beschwerden zu lange unbehandelt bleiben.
Die folgende Tabelle zeigt, wie eng die typischen Symptome der Wechseljahre mit jenen einer Schilddrüsenerkrankung verwoben sind – und wo sich Unterschiede bemerkbar machen können. Eine solche Übersicht kann ein wichtiger Impuls sein, um mögliche Ursachen gezielt abklären zu lassen.
Symptom | Wechseljahre | Schilddrüsen-unterfunktion | Schilddrüsen- überfunktion |
---|---|---|---|
Unregelmäßiger Zyklus | ✔ | ✔ | ✔ |
Ängstlichkeit | ✔ | ✘ | ✔ |
Depressive Verstimmung | ✔ | ✔ | ✔ |
Stimmungsschwankungen | ✔ | ✔ | ✔ |
Muskel- und Gelenkschmerzen | ✔ | ✔ | ✔ |
Muskelschwäche | ✔ | ✔ | ✔ |
Zittern | ✔ | ✘ | ✔ |
Erhöhtes Schwitzen | ✔ | ✘ | ✔ |
Schlafstörungen | ✔ | ✔ | ✔ |
Verändertes Haarbild | ✔ | ✔ | ✘ |
Vermindertes Wohlbefinden | ✔ | ✔ | ✔ |
Geringere Libido | ✔ | ✔ | ✔ |
Unterfunktion, Überfunktion – oder beides?
Bei Schilddrüsenfunktionsstörungen unterscheidet man vor allem zwei Formen:
Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion): Der Körper produziert zu wenig Schilddrüsenhormone. Typische Anzeichen sind Antriebslosigkeit, Kältegefühl, Verstopfung, trockene Haut und Gewichtszunahme. Häufige Ursache ist eine Autoimmunerkrankung (Hashimoto-Thyreoiditis).
Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion): Hier produziert die Schilddrüse zu viele Hormone. Die Folge: Nervosität, Schlafprobleme, Herzklopfen, Gewichtsverlust trotz gutem Appetit und Hitzewallungen – Symptome, die oft fälschlich allein den Wechseljahren zugeschrieben werden.
In beiden Fällen gilt: Die Beschwerden können subtil beginnen und sich schleichend entwickeln – oft über Jahre hinweg. Gerade in der Perimenopause werden Schilddrüsenerkrankungen daher häufig übersehen oder zu spät erkannt.
„Ich war oft müde, gereizt und hatte das Gefühl, nicht mehr richtig klar denken zu können. Lange dachte ich, das sei einfach der Stress der Wechseljahre. Erst ein Bluttest brachte die Diagnose: Schilddrüsenunterfunktion.“ – Martina, 51
„Rund jede zehnte Frau zwischen 45 und 60 Jahren zeigt eine Schilddrüsenfunktionsstörung – viele ohne es zu wissen.“
„Schilddrüsenhormone steuern den gesamten Stoffwechsel – ihre Wirkung überschneidet sich stark mit typischen Wechseljahresbeschwerden.“
Schilddrüse testen – wann ist der richtige Zeitpunkt?
Wenn du dich in den Wechseljahren befindest und Beschwerden hast, die sich nicht eindeutig einordnen lassen – etwa starke Erschöpfung, unerklärliche Gewichtszunahme oder Herzrasen – kann eine Blutuntersuchung Aufschluss geben. Die wichtigsten Laborwerte sind:
TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon): Zeigt an, wie stark die Hirnanhangdrüse die Schilddrüse zur Hormonproduktion anregt.
Freies T4 und freies T3: Diese Werte geben Auskunft darüber, wie viel aktives Hormon im Körper tatsächlich verfügbar ist.
Antikörper (TPO-AK, TG-AK): Sie helfen, eine Autoimmunerkrankung wie Hashimoto-Thyreoiditis zu erkennen.
Wichtig: Ein einmaliger Wert reicht oft nicht aus. Gerade in der Perimenopause kann sich das hormonelle Bild innerhalb weniger Monate deutlich verändern – regelmäßige Kontrollen sind daher sinnvoll.
Schilddrüse und Hormonersatztherapie (HRT)
Viele Frauen mit Schilddrüsenproblemen fragen sich, ob sie trotz der Diagnose eine Hormonersatztherapie beginnen können. Die gute Nachricht: In den meisten Fällen ist das problemlos möglich. Es gibt jedoch einige Dinge zu beachten:
Östrogen über die Haut (z. B. als Gel oder Pflaster) beeinflusst die Schilddrüsenmedikation nicht. Das macht diese Form für viele Frauen mit Hypothyreose besonders geeignet.
Orales Östrogen (Tabletten) kann den Bedarf an Schilddrüsenhormonen erhöhen, da es die Bindung von Thyroxin im Blut verändert. Wer Tabletten nimmt, sollte die Schilddrüsenwerte nach Beginn der HRT engmaschig kontrollieren lassen.
Progesteron und Testosteron haben keinen wesentlichen Einfluss auf die Schilddrüsenfunktion.
Wichtig ist vor allem eines: Die Schilddrüse muss gut eingestellt sein – nur dann kann auch die HRT ihre volle Wirkung entfalten.
Schilddrüse, Knochengesundheit und Herz
Ein unerkannter oder nicht behandelter Mangel an Schilddrüsenhormonen kann nicht nur das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen, sondern auch handfeste körperliche Folgen haben – besonders in Kombination mit dem Östrogenmangel der Wechseljahre:
Osteoporose: Sowohl eine Über- als auch eine “überbehandelte” Unterfunktion der Schilddrüse erhöhen das Risiko für Knochenschwund und Knochenbrüche.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Ein zu niedriger TSH-Wert (z. B. durch Überdosierung von L-Thyroxin) kann das Risiko für Herzrhythmusstörungen und Herzinfarkte deutlich erhöhen.
Deshalb gilt: Nicht nur die Beschwerden, sondern auch die Langzeitfolgen ernst nehmen – und die Schilddrüsenwerte regelmäßig kontrollieren lassen.
Was du tun kannst – praktische Empfehlungen
Symptome ernst nehmen: Müdigkeit, Gewichtszunahme oder Herzklopfen müssen nicht „einfach so“ hingenommen werden. Sprich mit deiner Ärztin über die Möglichkeit einer Schilddrüsenerkrankung.
Laborwerte regelmäßig prüfen: Besonders bei bestehenden Schilddrüsenerkrankungen und während einer HRT sollte dein TSH-Wert mindestens einmal jährlich kontrolliert werden – bei Auffälligkeiten häufiger.
Nahrungsergänzungsmittel mit Bedacht wählen: Jod, Calcium und Soja können die Wirkung deiner Schilddrüsenmedikamente beeinflussen. Nimm sie nur nach Rücksprache mit deiner Ärztin ein.
Wechselwirkungen beachten: HRT, Schilddrüsenhormone und Nahrungsergänzungsmittel sollten im Tagesverlauf so eingenommen werden, dass sie sich nicht gegenseitig behindern. Eine ärztliche Beratung hilft bei der richtigen Aufteilung.
Gut zu wissen:
Wer Sojaprodukte regelmäßig konsumiert, sollte auf eine ausreichende Jodzufuhr achten – insbesondere bei grenzwertiger Schilddrüsenfunktion.
Nahrungsergänzungsmittel mit Calcium können die Aufnahme von Schilddrüsenhormonen hemmen. Zwischen der Einnahme sollten mindestens vier Stunden Abstand liegen.
Eine zu hohe Jodzufuhr – z. B. durch Kelp-Produkte – kann eine bestehende Schilddrüsenerkrankung verschlechtern.
Schilddrüse & Wechseljahre – gemeinsam im Blick behalten
Die Schilddrüse ist ein oft unterschätzter Faktor in den Wechseljahren. Ihre Funktion kann Symptome verstärken, verschleiern oder mitverursachen – und beeinflusst auch die Wirksamkeit einer Hormonersatztherapie. Umso wichtiger ist es, beide Bereiche im Blick zu behalten: die Sexualhormone und die Schilddrüsenhormone.
Wenn du unsicher bist, sprich mit deiner Ärztin oder deinem Arzt – und bestehe auf eine umfassende Untersuchung. Denn nur, wenn alle hormonellen Bausteine zusammenpassen, kannst du dich in dieser Lebensphase wieder stabil, energiegeladen und bei dir selbst fühlen.
Literatur:
Mintziori G, Veneti S, Poppe K, Goulis DG, Armeni E, Erel CT, Fistonić I, Hillard T, Hirschberg AL, Meczekalski B, Mendoza N, Mueck AO, Simoncini T, Stute P, van Dijken D, Rees M, Duntas L, Lambrinoudaki I. EMAS position statement: Thyroid disease and menopause. Maturitas. 2024 Jul;185:107991. doi: 10.1016/j.maturitas.2024.107991. Epub 2024 Apr 24. PMID: 38658290.
Frank-Raue K, Raue F: Thyroid dysfunction in peri- and postmenopausal women—cumulative risks. Dtsch Arztebl Int 2023; 120: 311–6. DOI: 10.3238/arztebl.m2023.0069
British Thyroid Foundation. Thyroid and menopause [Internet]. British Thyroid Foundation; 2024 [cited 2025 May 18]. Available from: https://www.btf-thyroid.org/thyroid-and-menopause-article